Verzicht auf Entwaldung: So können Unternehmen die FLAG-Richtlinien umsetzen und ihre Lieferketten zukunftssicher gestalten

Bald ist es soweit: Ab April 2023 gelten für Unternehmen des Forst-, Land- und Agrarsektors neue Richtlinien für die Festlegung wissenschaftsbasierter Ziele (SBTs). Die Science Based Targets Initiative (SBTi) geht in ihrer sektorspezifischen Richtlinie genauer auf die spezifischen Eigenheiten der Forst-, Land- und Agrarwirtschaft (FLAG) ein - und bezieht erstmals auch die Möglichkeit der CO₂-Bindung (engl. removals) mit ein. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen zu den neuen Richtlinien und gehen dabei besonders auf ein Element ein: Wie können FLAG Unternehmen entwaldungsfreie Lieferketten schaffen?

Ist mein Unternehmen von den neuen FLAG-Richtlinien betroffen?

Ihr Unternehmen fällt in den Geltungsbereich von FLAG, falls eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft:

• Ihr Unternehmen ist Teil eines von SBTi designierten “FLAG-Sektors", u.a. Hersteller von Holz- und Papierprodukten, Hersteller von Agrarprodukten und tierischen Produkten, Lebensmittelverarbeitung, Einzelhandel und Tabak.
• 20% der Treibhausgasemissionen Ihres Unternehmens haben ihren Ursprung in Landbewirtschaftung (engl. land management) und Landnutzungsänderung (engl. land use change).

Ab wann gelten die FLAG-Richtlinien?

Bis wann Ihr Unternehmen die Anpassungen der FLAG-Richtlinien umsetzen muss, hängt davon ab, ob Sie sich bereits SBTs gesetzt haben - und wann.

• Ihr Unternehmen hat bereits SBTs gesetzt und diese wurden vor dem 1. Januar 2020 validiert: in diesem Fall müssen die FLAG-Ziele bis spätestens Ende 2023 nachgereicht werden.
• Ihr Unternehmen hat bereits SBTs gesetzt und diese wurden nach dem 1. Januar 2020 validiert: in diesem Fall müssen die FLAG-Ziele bis spätestens Ende 2024 nachgereicht werden.
• Ihr Unternehmen hat sich noch keine SBTs gesetzt: Ab April 2023 müssen alle FLAG-Unternehmen, welche sich wissenschaftsbasierte Ziele setzen möchten, diese gemäß den neuen FLAG Richtlinien definieren.

Was ändert sich mit den neuen FLAG-Richtlinien?

Die Forst-, Land- und Agrarwirtschaft unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Sektoren und die Berechnung ihres Klimaeinflusses ist hochkomplex. Zum einen tragen diese Sektoren mit 22% der weltweiten Treibhausgasemissionen (THG) momentan signifikant zum Klimawandel bei, zum anderen haben sie die Möglichkeit, die Bindung und Speicherung von CO₂ in Kohlenstoffspeichern wie Biomasse, Böden usw. zu fördern.

Auf diese Besonderheiten geht die SBTi in den neuen FLAG-Richtlinien genauer ein. Unternehmen der FLAG-Sektoren erhalten nun klare Empfehlungen, wie sie ihre Emissionen reduzieren müssen, um gemäß dem Paris Agreement von 2015 die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf 1.5ºC ggü. vorindustriellen Niveau zu limitieren. Dabei kommen nun einheitliche Methodologien und Tools zur Berechnung von Emissionen aus Landbewirtschaftung und Landnutzungsänderung sowie CO₂-Bindung zum Einsatz.

Die wichtigsten Anforderungen für FLAG-Unternehmen sind dabei:

1. Ihr Unternehmen muss wissenschaftsbasierte Ziele zur Minderung von FLAG-Emissionen setzen. Dies bedeutet, dass im Rahmen Ihrer Treibhausgasbilanz zwischen FLAG- und Nicht-FLAG-Emissionen unterschieden werden muss. Außerdem können Sie nun auch die CO₂-Bindung erfassen.
2. Ihr Unternehmen muss wissenschaftsbasierte Ziele zur Minderung von Emissionen aus fossilen Quellen setzen (d.h. Nicht-FLAG-Emissionen).
3. Ihr Unternehmen muss sich bis spätestens 2025 ein Ziel zum Verzicht auf Entwaldung setzen (engl. zero deforestation target).

Im weiteren Verlauf dieses Artikels gehen wir näher auf Punkt 3 ein, da wir aus Gesprächen mit unseren Kunden wissen, dass die Festlegung eines Ziels für den Verzicht auf Entwaldung viele Fragen aufwirft.

Im Kampf gegen den Klimawandel spielen unsere Wälder eine Schlüsselrolle: Jährlich binden und speichern sie ca. 2 Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre.

Wie können europäische Unternehmen Entwaldung in ihren Lieferketten ausschließen?

Wir empfehlen die folgenden Schritte:

1. Öffentliche Bekenntnis zum Verzicht auf Entwaldung: Ihr Unternehmen sollte sich öffentlich dazu verpflichten, bis zum Jahr 2025 komplett auf Entwaldung und Umwandlung von Natur- in Nutzflächen in Ihren Lieferketten zu verzichten, sowie die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften in Ursprungsgebieten zu schützen.
2. Risikobewertung: Ihr Unternehmen sollte eine Risikobewertung von Lieferketten, Lieferanten sowie der Ursprungsgebiete natürlicher Rohstoffe durchführen.
3. Operationalisierung: Basierend auf der Risikobewertung sollte Ihr Unternehmen daraufhin Unternehmensrichtlinien, Lieferantenkodex und bestehende Vertragsvereinbarungen überarbeiten, um die Verpflichtungen in den Lieferketten sowie Produktionsstandorten zu operationalisieren.
4. Prozesse zur Wahrung der Sorgfaltspflicht: Um Ihre Lieferketten effektiv zu managen, sollten Sie Sorgfaltspflichtprozesse (due diligence processes) festlegen. Diese sollten Ihr Risikomanagement, Supplier Engagement, Katalog von Präventionsmassnahmen, Materialrückverfolgung- sowie einen klar definierten Beschwerdemechanismus beinhalten.
5. Monitoring und öffentliche Berichterstattung: Ihr Unternehmen sollte die Fortschritte, die Sie im Bereich Verzicht auf Entwaldung in Ihren Lieferketten erzielen können, messen und öffentlich machen. Dabei ist wichtig, dass sich Ihre Berichterstattung auf verifizierbare Informationen stützt.
6. Zusammenarbeit: Zuletzt empfehlen wir engagierten Unternehmen, mit öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren zusammenzuarbeiten, um freiwillige sowie regulatorische Initiativen voranzutreiben und zu unterstützen.

Wie kann Ihnen South Pole helfen?

Als marktführender Klima- und Nachhaltigkeitsberater unterstützt South Pole Unternehmen weltweit dabei, entwaldungsfreie Lieferketten zu schaffen. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln und implementieren wir Ansätze, um Entwaldung sowie die Umwandlung von Naturflächen in ihren Lieferketten zu identifizieren und zu eliminieren.

Unter Einsichten in Ihre Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle erstellen unsere Expert*innen einen ganzheitlichen Ansatz für Ihr Unternehmen, um Ihre Klima- und Natur- mit Ihren Waldschutzambitionen zu vereinen und gleichzeitig Ihre Beschaffungsstrategie zukunftsfähig zu machen.

Zu unserem Leistungsangebot gehört die Durchführung von:

• Analyse Ihrer Systeme und Best Practice Vergleich
  
  Stellen Sie sicher, dass sich Ihre internen Prozesse und Systeme nach den Richtlinien der Accountability-Frameworks Initiative (AFI) richten und damit geeignet sind, globale Lieferketten abzubilden und ihre Waldschutzambitionen zu unterstützen.

• Analyse von Lieferketten, Lieferanten, und Ursprungsgebieten
  
  Um Ihrer betrieblichen Sorgfaltspflicht nachzukommen, ist es wichtig, bestehende Nachhaltigkeitsrisiken (durch Lieferanten, Rohstoffe, Ursprungsgebiete) zu identifizieren und zu verstehen - um dann effektive Lösungsansätze zu entwickeln und langfristig zu implementieren.

• Datenerhebung in Ihren Lieferketten
  
  Die globalen forst- und landwirtschaftlichen Lieferketten sind komplex und vielschichtig. Um Ihre Interventionen bewerten und überprüfen zu können, müssen so viele Datenpunkte wie möglich gesammelt werden. Dazu zählen Einblicke in die Systeme von Lieferanten sowie Informationen zu Ursprungsgebieten.

• Entwicklung Ihrer Strategie zum Verzicht auf Entwaldung
  
  Bis 2025 komplett auf Entwaldung in Ihren Lieferketten zu verzichten, ist ein ambitioniertes und kurzfristiges Ziel. Umso wichtiger ist es, eine zeitlich klar definierte Strategie festzulegen, Taktiken und Umsetzungsmethoden zu definieren und Anforderungen an externe Partner klar zu kommunizieren.

• Implementation Ihrer Strategie zum Verzicht auf Entwaldung
  
  Um eine Waldschutzstrategie umzusetzen, ist es oftmals hilfreich, diese in Teilziele, konkrete Prozessschritte und kritische Datenpunkte herunterzubrechen, an denen sich Ihre Mitarbeitenden und Lieferanten orientieren können.

• Erstellung von Finanzmodellen
  
  Auch wenn die Strategie und Maßnahmen zum Verzicht auf Entwaldung klar definiert sind, ist es im nächsten Schritt wichtig, die Finanzierung für deren Umsetzung zu sichern. Für viele Lösungsansätze mangelt es aktuell an Finanzierung - besonders von Mitteln aus der Privatwirtschaft. Diese Finanzierungslücke benötigt moderne Investitionsmechanismen, die Kleinbauern, lokale Gemeinschaften sowie Kleinbetriebe unterstützen.

• Überwachung, Berichterstattung und Prüfung
  
  Um sicherzustellen, dass Sie den regulatorischen Vorschriften entsprechen und um die Glaubwürdigkeit Ihrer Nachhaltigkeitskommunikation zu unterstreichen, sollten Sie ihr Engagement transparent kommunizieren. Die Grundlage dafür ist eine kontinuierliche und verifizierbare Überwachung der Implementation und Einhaltung der von Ihnen definierten Unternehmensrichtlinien zur Vermeidung von Entwaldung.

• Training
  
  Je mehr Ihre Stakeholder von der Problematik der globalen Entwaldung sowie den Lösungsansätzen verstehen, desto besser kann die notwendige interne und externe Zusammenarbeit zur Umsetzung Ihrer Strategie zur Vermeidung von Entwaldung funktionieren.