Institutionelle Investoren wie Pensionskassen sind zunehmend angehalten, Klimarisiken in ihren Portfolios transparent zu machen. Im Klimaabkommen von Paris hat die Staatengemeinschaft beschlossen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu limitieren. Allerdings reichen die von den Staaten getätigten Zusagen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei weitem nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Ganz zu schweigen von den eingeleiteten Massnahmen sowie den erzielten Ergebnissen.
Bisherige Zusagen reichen nicht
Erst im Oktober hat der Weltklimarat IPCC dazu aufgerufen, die Anstrengungen zu verstärken, damit die Folgen der Erderwärmung auf ein erträgliches Mass limitiert werden können. Um dieses Ziel doch noch zu erreichen, sind enorme strukturelle politische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen vonnöten. Für Unternehmen bergen diese Veränderungen ebenso grosse Chancen wie Risiken – und entsprechend auch für Anleger, nicht nur für institutionelle.
Doch um welche Chancen und Risiken handelt es sich, und wie lassen sie sich messen? Grundsätzlich muss man die Frage für zwei Grundszenarien beantworten. Einmal für jenes, in dem das angestrebte Ziel erreicht wird. Wer sind die möglichen Gewinner und Verlierer entlang der notwendigen Transition, und welchen Risiken sind Unternehmen hier ausgesetzt? Dann gilt es aber auch die Konsequenzen zu eruieren, die ein Scheitern der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens mit sich bringen würde. Womit müssen Anleger rechnen, wenn die globale Oberflächentemperatur bis zum Jahr 2100 beispielsweise um 4 statt um 1,5 Grad Celsius zunimmt?
Was die zweite Frage angehe, handle es sich um die sogenannten physischen Risiken, sagt Nico Kröner von South Pole, einem Schweizer Anbieter für Lösungen für die Finanzierung von Nachhaltigkeit. Für jedes Grad, das sich die Erde erwärmt, nehmen die Auswirkungen nichtlinear zu. Auf der einen Seite sind dabei Schäden gemeint, die durch extreme Wetterereignisse verursacht werden. Zu denken ist etwa an Dürre- und Hitzewellen, Hurrikane oder Überschwemmungen.
Anhand der geografischen Lage von Produktionsstätten und anderen Niederlassungen eines Unternehmens lasse sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass eine Naturkatastrophe zu Schäden an Gebäuden und anderen Vermögensgegenständen und damit zu einem Produktionsausfall führt, so Kröner. Einen solchen Ausfall könne aber auch ein Unterbruch in der Lieferkette hervorrufen, wenn ein wichtiger Zulieferer von einem Naturereignis betroffen ist. Zudem können auf Unternehmen höhere Versicherungskosten zukommen.
Auf der anderen Seite können aber auch dauerhafte Veränderungen des Klimas grosse Schäden bewirken. Beispielsweise, wenn wegen steigender Temperaturen die Produktivität der Bevölkerung leidet oder wenn gewisse Pflanzen schlechtere Ernteerträge liefern, weil sich in etlichen Regionen auf der Welt die Wasserknappheit verschärft.
Hohe physische Risiken
South Pole hat die physischen Risiken berechnet, welche verschiedene Szenarien der Erderwärmung für den Swiss-Market-Index (SMI) und den DAX mit sich bringen würden. Abgeleitet aus den zu erwartenden Produktionsausfällen der Unternehmen, ergibt sich ein Risikowert von zwischen 0% (keine Auswirkungen) und –100% (extreme Auswirkungen). Keine nennenswerten Folgen hätte dabei der gegenwärtige Stand zur Folge, nämlich eine Erderwärmung um 1 Grad. Allerdings halten selbst kühnste Optimisten es nicht mehr für möglich, die Erderwärmung auf dieses Niveau zu beschränken.
Deutlich höher fallen die Einbussen dagegen bei einer Erderwärmung um 3 Grad (die der IPCC für realistisch hält, wenn alle Länder ihre Zusagen erfüllen) oder gar 4 Grad aus. Im letzteren Fall würde der Risikowert –36% (DAX) und –43% (SMI) betragen. Zwar lassen sich diese Werte nicht direkt auf die Aktienkurse übersetzen, sie geben aber einen Anhaltspunkt dafür, welcher Anteil der wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens bzw. eines Markts bedroht ist. Aus der Perspektive des SMI hätten Konsumgüterhersteller und Rohstofffirmen mit den gravierendsten Folgen zu rechnen.
Nicht weniger relevant ist die Frage, welche Konsequenzen die für die Erreichung der Pariser Klimaziele nötigen Anpassungen für die Unternehmen mit sich bringen würden. Hier lassen sich gleich vier Risikokategorien unterscheiden. Erstens regulatorische Risiken, wie die Einführung einer umfangreichen CO2-Steuer. Zweitens technologische Risiken, etwa wenn man zu lange auf alte Technologien setzt oder hohe Entwicklungskosten schultern muss, um einen technologischen Rückstand aufzuholen.
Drittens wird sich das Konsumentenverhalten verändern. Möglicherweise wird künftig weniger geflogen oder weniger Fleisch konsumiert, das deutlich höhere CO2-Emissionen verursacht als Obst und Gemüse. Und viertens laufen Firmen Gefahr, ihren guten Ruf zu verlieren, wenn sie den Anschluss in der nötigen Transition verlieren. Dies kann ihre Attraktivität für Anleger oder Mitarbeiter schmälern.
CO2-Intensität des Geschäfts
Ein Unternehmen ist umso mehr von den Transitionsrisiken betroffen, je CO2-intensiver sein Geschäft ist. Unterschieden wird dabei zwischen den unternehmenseigenen Emissionsquellen, wie dem eigenen Fuhrpark oder einem eigenen Kraftwerk («Scope 1»), Emissionen, die hinter der von einem Unternehmen zugekauften Energie stecken («Scope 2»), sowie Emissionen, die durch Vorprodukte verursacht wurden oder durch den Gebrauch der Produkte entstehen («Scope 3»). Zudem nehmen die Transitionskosten zu, je ambitiöser das Ziel hinsichtlich der Limitierung der Erderwärmung ist, so Kröner.
Die Research-Firma Carbon Delta berechnet die Kosten, die auf Unternehmen wegen der für ein bestimmtes Klimaziel nötigen Anpassungen zukommen. Dazu werden die nationalen Ziele zur Emissionsreduktion bis auf einzelne Betriebsstätten heruntergebrochen. Anhand der «Scope 1»-Emissionen der Unternehmen werden dann die erforderlichen Emissionsreduktionen bzw. -kompensationen berechnet. Ordnet man diesen einen CO2-Preis zu, ergeben sich die finanziellen Belastungen, mit denen ein Unternehmen rechnen muss.
Transition birgt auch Chancen
Allerdings müsse auch berücksichtigt werden, welche Vorteile Firmen, die über aussichtsreiche Technologien verfügen, aus der Transition ziehen können, sagt Anja Ludzuweit von Carbon Delta. Dazu erfasse und bewerte man die Patente von Unternehmen, die über das Attribut «kohlenstoffarm» verfügen. Stelle man diese Chancen den Risiken bzw. Kosten der Transition gegenüber, ergebe sich teilweise sogar ein positives Verhältnis.
Auf Stufe von Aktienindizes gelte das für das 1,5-Grad-Szenario für den deutschen DAX oder den japanischen Nikkei 225 (vgl. Grafik). Weniger gut schnitten diesbezüglich der Schweizer SPI oder der englische FTSE 100 ab, erläutert Ludzuweit. Anlegern, die nicht indexnah investieren wollen, stehen inzwischen etliche Fonds zur Verfügung, die auf einen geringen CO2-Fussabdruck der Titel achten oder auf Valoren von Unternehmen setzen, die von der anstehenden Transition profitieren werden. In aktiv verwalteten Fonds oder ETF, die sich an Indizes mit einer niedrigen CO2-Intensität orientieren, ist es möglich, Aktien von Firmen, die besonders hohen Risiken ausgesetzt sind, geringer zu gewichten oder gar auszuschliessen.
Obwohl die physischen und transitorischen Risiken insgesamt beachtlich sind, ist der notwendige Übergang zu einer CO2-armen Gesellschaft bis jetzt kaum in den Kursen reflektiert. Je konkreter bzw. glaubhafter die Bestrebungen der Staaten in diese Richtung gehen, umso schneller wird sich das aber ändern.
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