Dieser Artikel wurde ursprünglich von aquaetgas.ch veröffentlicht
Klärgas besteht zum grossen Teil aus Methangas, dass insbesondere beim Schlammstapel entweichen kann. Durch die Abdichtung des Stapels kann mehr Klärgas gewonnen und die Emission von schädlichen Treibhausgasen verhindert werden. Es lohnt sich auch aus finanziellen Gründen, die Abdichtung des Schlammstapels zu prüfen, da sich die Investitionen dank dem Förderprogramm von South Pole zurückzahlen.
Auf kommunalen Kläranlagen werden grosse Mengen an Methan in die Atmosphäre emittiert. Methan hat ein 25-mal höheres Treibhauspotenzial als jenes von CO2. Insgesamt sind Kläranlagen für 0,3% der gesamten Treibhausgasemissionen, beziehungsweise 2,8% der gesamten Methanemissionen der Schweiz verantwortlich. In Studien wurden die verschiedenen methanemittierenden Anlageteile von Kläranlagen untersucht. Damit konnte aufgezeigt werden, dass insbesondere die anaerobe Schlammbehandlung (Faulung) betroffen ist. Hier besteht relevantes Potenzial zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Beim Schlammstapel kann mit einfachen Massnahmen der Verlust an Methangas bzw. die Treibhausgase beträchtlich reduziert und die nutzbare Klärgasmenge erhöht werden. Anlagenbetreiber, die diese Massnahmen umsetzen, werden durch Fördergelder von South Pole unterstützt und profitieren dadurch von der Erfahrung mit zahlreichen realisierten Anlagen. Oftmals kann das gefasste Methan energetisch genutzt und zusätzliche Gewinne durch den Mehrverkauf von Gas oder Strom erzielt werden. Mit Unterstützung des Förderprogramms können Kläranlagen einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Methanverluste in offenen Schlammstapeln wurden in einer Umfrage an den Kläranlagen im Kanton Zürich erhoben und mit der gesamten Klärgasproduktion auf der ARA verglichen. Abbildung 1 zeigt die daraus ermittelten relativen Klärgasverluste im Stapel in Abhängigkeit der Aufenthaltszeit im Faulraum und im Stapel. Die dargestellten Werte zeigen eine Momentaufnahme, saisonale Schwankungen sind dabei nicht berücksichtigt. Der relative Klärgasverlust spiegelt sich in der Grösse der Datenpunkt. Die Verluste sind beträchtlich und reichen von 2% bis 15% der gesamten Klärgasproduktion.
Die Resultate zeigen aufgrund der hohen relativen Verluste, dass bei offenen Schlammstapeln in den meisten Fällen eine Abdeckung aus ökologischer Sicht sinnvoll und wirtschaftlich interessant ist.
Die hohen Verluste bei der Schlammstapelung führen dazu, dass die Energiegewinnung aus dem erneuerbaren Klärgas über den gesamten Prozess nicht mehr "klimaneutral" ist, sondern sogar zu einer zusätzlichen Treibhausgasbelastung führt. D.h. die Methan- und Treibhausgasemissionen müssen in allen Bereichen auf der ARA soweit wie möglich minimiert werden.
Abbildung 1 Klärgasverlust im Stapel relativ zur gesamten Klärgasproduktion der ARA (Grösse des Kreises entsprich der Prozentzahl) abhängig von der Aufenthaltszeit im Stapel und im Faulraum.
Kläranlagen im Kanton Zürich sind gemäss dem Massnahmenplan Klima (Lit. 1) verpflichtet, bei grösseren Umbauten oder umfassenden Sanierungen Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu prüfen. Beträgt der Gasverlust über die offene Stapelung mehr als 3% von der gesamten Gasproduktion, was bei den meisten untersuchten ARA der Fall ist, kann der Kanton im Bewilligungsverfahren eine Abdeckung der Stapelbehälter fordern. Da im Kanton Zürich obige Massnahmen vorgeschrieben sind, können dem Förderprogramm von South Pole zur Reduktion von Methanemissionen nur Kläranlagen beitreten, sofern die Abdeckung von offenen Schlammstapeln freiwillig, also unabhängig von einer Gesamtsanierung der Schlammbehandlung realisiert wird.
Je höher die Methanverluste sind, umso dringender ist eine Abdeckung bei offenen Schlammstapeln und umso grösser ist deren Wirksamkeit. In einem ersten Schritt werden die Methanverluste ermittelt, was auf unterschiedliche Arten erfolgen kann:
Beim anaeroben Abbauversuch findet die Messung der Methanproduktion bei voller Durchmischung statt. Entsprechend wird die Methanproduktion im Labor verglichen mit dem nicht durchmischten Nachfaulraum tendenziell überschätzt, wobei der Fehler im einstelligen Prozentbereich liegt.
Der organische Anteil der Trockensubstanz errechnet sich über den Glührückstand. Mit den erhobenen Daten kann die Differenz der Organik vor der Einleitung in den Stapelraum und dahinter bei der Entnahme zur Entsorgung ermittelt werden. Der Organikabbau im Schlammstapel kann somit direkt proportional in eine entsprechende Gasproduktion umgerechnet werden. Die in Abbildung 2 dargestellten Glührückstände über ein Jahr zeigen die systematische Abnahme der Organik im Nachfaulraum.
Abbildung 2 Veränderung des Organikanteils durch Verweilzeit im Stapel dargestellt in % Glührückstand im Zu- und Ablauf (Quelle 1)
Damit kann die Abbaumenge an Methan im Schlammstapel ermittelt werden. Die Methanreduktion dient zur Ermittlung der CO2-Wirkung der Abdichtung des Stapels und damit zur Berechnung der Förderbeiträge von South Pole. Die jährliche Vergütung erfolgt aufgrund der effektiv ausgewiesenen Reduktion der CO2-Emissionen, welche im jährlichen Monitoring dokumentiert werden.
HOLINGER AG hat bei 8 Kläranlagen in der Schweiz gasdichte Abdeckungen von Stapelräumen geplant und z.T. bereits umgesetzt. Diese Projekte geben einen Überblick über die Investitionen, die Wirtschaftlichkeit der Stapelabdeckungen und der zusätzlichen Klärgaserträge.
Die Erfahrung zeigt, dass die Grösse der abzudichtenden Öffnung über dem Schlammstapel ein grosser Kostentreiber ist.
Für die Kosten und die Förderbeiträge von South Pole von diesen 8 Anlagen sind folgende Annahmen zugrunde gelegt:
Die Kostenbetrachtung der einzelnen ARA wird in Tabelle 1 dargestellt. Die Methanverluste liegen bei den 8 ARA zwischen 6 und 11% und sinken durch die Abdeckung gegen 0%. Bei den ARA 3 und ARA 7 wurde nicht nur die Abdeckung realisiert, sondern eine gesamte Sanierung des Stapels vorgenommen. Bei diesen zwei ARA fallen im Vergleich zur reinen Abdeckung des Schlammstapels zusätzlich grössere Investitionen an, weshalb nicht das gesamte Investitionsvolumen für die Gesamtsanierung über die Förderbeiträge zurückbezahlt werden kann. Bei allen restlichen Kläranlagen ohne zusätzliche Sanierung der Stapel, werden die Investition bis 2030 durch die Vergütungen mehr als zurückbezahlt. Der Einnahmeüberschuss ist beträchtlich und liegt zwischen 4'700 bis 90'700 CHF. Signifikant ist, dass die ARA 3, ARA 5 und ARA 6 zudem einen eindrücklichen Klärgasgewinn von 9 – 10 % erzielen. Bei diesen drei ARA liegt der jährliche Erlös aus der zusätzlichen Gasgewinnung bei 3000 - 7500 CHF, was sich bereits bis 2030 auf rund 27'000 - 67'500 CHF aufsummiert. Noch nicht berücksichtigt sind die Einsparungen durch die reduzierte Schlammentsorgung.
ARA | Schlammstapel | Kosten | Einnahmen KliK-Vergütung 2022 - 2030 [CHF] |
Saldo (Einnahmen – Kosten) * 2022 - 2030 [CHF] |
Bemerkungen | |||
Emissionen durch offenen Schlammstapel [t CO2-eq/Jahr] |
Anteil Methan- verluste an Gasproduktion [%] |
Ermittlung Methanpro-duktion Stapel | Investition [CHF] |
Betriebs-kosten 2022 – 2030 [CHF] | ||||
ARA 1 | 261 | 7 | Messung Labor | 170'000 | 45'000 | 241'800 | 26'800 | Radius Abdeckung < 5 m |
ARA 2 | 350 | 8 | Messung Labor | 240'000 | 317'000 | 32'000 | Radius Abdeckung < 5 m | |
ARA 3 | 146 | 9 | Gasmessung | 200'000 | 189'300 | -55'700 | Radius Abdeckung < 5 m Inkl. Sanierung Stapel |
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ARA 4 | 434 | 7 | Messung Labor | 402'000 | 451'700 | 4'700 | Radius Abdeckung 11 m | |
ARA 5 | 126 | 10 | Gasmessung | 72'000 | 136'700 | 19'700 | Radius Abdeckung < 5 m | |
ARA 6 | 383 | 10 | Gasmessung | 111'000 | 246'700 | 90'700 | Radius Abdeckung < 5 m | |
ARA 7 | 140 | 11 | Schätzung | 765'000 | 359'600 | -450'400 | Radius Abdeckung 9 minkl. Sanierung Stapel | |
ARA 8 | 289 | 6 | Schätzung | 211'000 | 276'200 | 20'200 | Radius Abdeckung < 5m |
* noch auch Einnahmen aus zusätzlicher Klärgasgewinnung und ohne Einsparung reduzierte Schlammentsorgung
Die Resultate zeigen, dass Schlammstapelabdeckungen neben dem ökologischen Nutzen dank dem Förderprogramm von South Pole auch finanziell interessant sind. Die Abdeckung ist deshalb bei allen offenen Schlammstapeln zu prüfen. Bei ARA mit folgenden Eigenschaften ist das Potenzial einer Abdeckung besonders gross:
Im Zuge der Planung der Schlammstapelabdeckung ist es sinnvoll zu prüfen, ob der gasdichte Schlammstapel durch die Integration in die Schlammerwärmung und mit einem Rührwerk zu einem vollwertigen Faulraum ausgerüstet werden kann. Mit diesem zumeist geringen Mehraufwand kann die Redundanz der vorher einstrassigen Faulung massiv verbessert werden. Im Falle einer Revision oder Entleerung des Faulraumes erlaubt der abgedeckte Schlammstapel mit Rührwerk, sprich der Nachfaulraum, somit die Aufrechterhaltung der Schlammfaulung und verhindert vorübergehende hohe Methanemission während der Revision des Faulraumes. Gleichzeitig kann auch die Sicherheit der Arbeiten in Bezug auf Ex-Schutz während diesen Revisionen verbessert werden. Bei einstrassigen Schlammfaulungen werden die Reaktoren aus verständlichen Gründen nur selten entleert. Steht ein zweiter Faulraum zur Verfügung, so können diese Revisionsarbeiten mit vertretbarem Aufwand häufiger durchgeführt werden und unerwünschte Veränderungen im Faulraum (Ablagerungen, Verzottungen, Schäden an Installationen und Bauwerk) rechtzeitig erkannt werden.
Aufgrund folgender Gründe ist eine baldmögliche Untersuchung der Methanemissionen auf den Kläranlagen sinnvoll und dringend zu empfehlen:
Um dieses beträchtliche Potenzial zur Reduktion der schädlichen Methangase auf den Kläranlagen zu nutzen, hat South Pole ein Förderprogramm entwickelt. Zur Reduktion von Methanemissionen werden Prozessstufen der anaeroben Schlammbehandlung mit einer gasdichten Abdeckung ausgerüstet. So werden die Abluftströme gefasst und das Methan gelangt nicht mehr in die Atmosphäre. Damit kann auch zusätzliches Klärgas gewonnen und je nach örtlichen Gegebenheiten einem Blockheizkraftwerk zugeführt, in einer Schlammverbrennungsanlage verbrannt oder mit der Gasphase des Faulturms verbunden werden.
Förderansätze für Abdeckung Schlammstapel:
Anlagenbetreiber erhalten von South Pole 140 CHF pro reduzierte Tonne CO2-Äquivalente. bis die Investition zurückgezahlt wurde. Anschliessend erhalten Sie bis 2030 pro Jahr 10'000 CHF für den Betrieb und zusätzlich 25 CHF pro Tonne CO2e.
Nähere Informationen können bei swissprojects@southpole.com bezogen werden.
Insgesamt nehmen bereits 14 Kläranlagen am Programm teil. Zu Beginn bietet South Pole allen Kläranlagen eine kostenlose, unverbindliche Eignungsprüfung an. Bei Interesse startet der Anlagenbetreiber die Vorplanung mit dem Ingenieurbüro des Vertrauens.
Der Betriebsleiter der Kläranlage Röti in Neuhausen am Rheinfall ist mit dem Ergebnis der realisierten Abdeckung des Schlammstapels sehr zufrieden, wie Markus Franz berichtet: "Die notwendigen Massnahmen konnten rasch ermittelt und umgesetzt werden. Die Abdeckung hat keinen negativen Einfluss auf die Schlammentwässerung und die installierte Differenzmessung zum Nachweis der vermiedenen Methanemissionen funktioniert tadellos. Mit der Vergütung der ausgestellten CO2-Bescheinigungen durch South Pole konnte die gesamte Investition innerhalb von 4 Jahren amortisiert werden. Vor allem aber können wir die Treibhausgase jährlich um beträchtliche 730 Tonnen CO2-Äquivalente senken."
South Pole verfolgt die Vision, die Schweizer Kläranlagen als Vorreiter beim Klimaschutz zu etablieren. Dazu entwickelt South Pole weitere Klimaschutzprogramme rund um Kläranlagen. Ein konkreter Ansatz ist die CO2-Aufbereitung, die bei der Klärgas-Einspeisung ins Gasnetz das abgespaltene CO2 nutzt (vgl. Lit. 2). Dieses wird dann nicht mehr in die Atmosphäre emittiert, sondern verflüssigt und kann somit zu anderen Zwecken wie z.B. in Industrien verwendet und idealerweise dauerhaft gespeichert werden. Weitere Projekte sind in der Entwicklung, um die Lachgasemissionen der Kläranlagen respektive des Klärschlamms zu vermindern. Dabei können Pyrolyseanlagen auf Kläranlagen eine neue Rolle spielen, um das Potenzial des Klärschlamms besser zu nutzen und weiter Treibhausgasemissionen einzusparen.
Kontakt: mueller@infrawatt.ch
Foto: Luftaufnahme der Kläranlage Niederglatt, welche den Schlammstapel im Rahmen des Förderprogramms von South Pole gasdicht abgedeckt hat (Foto: ARA Niederglatt)
Foto: Die gasdichte Abdeckung auf der ARA Aarburg, welche sowohl bezüglich der Reduktion der Methanemissionen positive Erfahrungen macht als auch die Investitionen dank dem Förderprogramm von South Pole bereits kompensieren konnte. (Foto: ARA Aarburg)