The following article originally appeared in ARTE published in German, and also in French.
Im Juni 2017 hat Donald Trump angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 auszutreten. Die Entscheidung hat den Klimaschutz in eine Schockstarre versetzt und gleichzeitig eine Welle der Solidarität ausgelöst. Die Bilanz von ARTE Info zeigt, warum der Trend zu erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit anhält - unabhängig von politischen Entscheidungen.
ARTE Info hat mit Experten diskutiert, die sich in unterschiedlichen Gebieten im globalen Klimaschutz engagieren:
Wie hat sich Trumps Entscheid auf die internationale Umweltpolitik ausgewirkt?
"Interessant ist, dass das Abkommen von Paris durch Trumps Ansage gestärkt wurde", beobachtet Lucile Dufour von der NGO Réseau action climat. Sämtliche Länder hätten sich geschlossen hinter das Abkommen gestellt und Trumps Entscheidung entschieden verurteilt.
Martin Stadelmann von South Pole relativiert die Auswirkung der Entscheidung Trumps: "Der Ausstieg der US-Regierung aus dem Abkommen hat keinen massiven Einfluss auf den Klimaschutz. Das Klimaabkommen von Paris beruht auf einem breiten Konsens und ist sehr stabil."
David Levaï vom Think Tank Iddri stellt problematische Auswirkungen fest: "Die Staaten haben viel Energie damit verloren, dem Ausstieg der USA entgegenzuwirken, statt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es haben sich Gräben aufgetan, die verhindern, dass die Klimaschutz-Bestrebungen schnell und wirksam weitergeführt werden."
Wie hat sich der Rückzug auf den US-amerikanischen Klimaschutz ausgewirkt?
"Seit einem Jahr wird das Umweltschutz-Erbe der Obama-Administration kontinuierlich zurückgebaut," analysiert Lucile Dufour von der NGO Résau action climat. Man habe Erdölpipeline-Projekte wieder aufgenommen und den Plan Obamas, die Kohlekraftwerke kontinuierlich zu schließen, komplett ausgehebelt. Auf die Verabschiedung von politischen Maßnahmen habe die Entscheidung Trumps also eine direkte Auswirkung. "Man darf nicht vergessen, dass die USA der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen weltweit bleiben", fügt Dufour an (Anmerkung der Redaktion: ca. 20 Prozent der Treibhausgase).
Wird die US-amerikanische Klimaschutzbewegung an ihrer Arbeit gehindert?
"Nein", sagt Stadelmann. "In den USA sind Klimaschutz-Akteure weiterhin sehr aktiv." Bundesstaaten aber auch Städte und Akteure des Privatsektors engagierten sich weiterhin.
Das Paradebeispiel ist der Bundesstaat Kalifornien: Nach der Ankündigung von Trump hat Kalifornien ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das eine Versorgung ausschließlich mit Ökostrom gewährleisten soll.
David Levaï beobachtet ebenfalls, dass die Auswirkungen von Trumps Entscheidung auf nationaler Ebene eingeschränkt seien. Mehr noch: Das Engagement für den Klimaschutz hätte sich in diesem Jahr von Seiten der Unternehmen und der Staaten sogar ausgeweitet.
"Im US-Kongress sind die Republikaner zwar in der Mehrheit, doch die Bundesstaaten verfügen über eine große Autonomie, die es ihnen erlaubt, ihre eigene Klimapolitik zu gestalten und ambitionierte Klimaziele zu verfolgen", fügt Lucile Dufour an.
Wie entwickelt sich der Klimaschutz abseits staatlicher Abkommen?
Klimaschutz-Bestrebungen bleiben nicht auf Staaten beschränkt und gewisse Trends zur Transformation bestehen unabhängig von politischen Entscheidungen. Man müsse dafür weitere öffentliche und private Akteure (Vertreter von Regierungen, Unternehmen, Städten und Nichtregierungsorganisationen) für die Dekarbonisierung der Gesellschaft gewinnen, meint Martin Stadelmann von South Pole.
Ein wichtiger Indikator für die anhaltende Energiewende sei der Finanzsektor, sagt Stadelmann. Der Finanzsektor erkläre, warum eine politische Entscheidung wie der Rückzug von Trump die reale Entwicklung gewisser Trends nicht aufhalten kann. "Der Finanzsektor funktioniert nach der Logik von Risikoanalysen. Physische sowie politische Klima-Risiken werden so zu einem Faktor für Investitionen."
"Erneuerbare Energien als kostengünstige Alternative zu schadstoffreichen Ressourcen, ist ein rentables Geschäft," sagt Stadelmann weiter. "Von ihm geht ein massiver Einfluss aus. Es gibt also ökonomische Gründe, weiterhin in den Klimaschutz zu investieren. Das hat nichts mit Ideologie zu tun."
Das Beispiel der Abschaltung von Kohlekraftwerken: Dass politische Entscheidungen nicht zwingend mit den Trends im Finanzsektor einhergehen, zeigt das Beispiel der Kohlekraft in den USA. Das 2017 von Trump verabschiedete Dekret, das Investitionen in die Kohlekraft anregen sollte, stieß bei Unternehmen auf wenig Interesse. Stattdessen hatten mehrere Energiekonzerne angekündigt, Kohlekraftwerke herunterzufahren. Die Hälfte der weltweiten Abschaltungen gehen auf das Konto der USA. Auch außerhalb der USA schwinden Investitionen in die Kohlekraft. Auf der vergangenen Weltklimakonferenz in Bonn kündigte Kanada im Verbund mit den Niederlanden und Großbritannien an, in den kommenden Jahren schrittweise aus der Kohlekraft aussteigen zu wollen.
Können Trends im Privatsektor politischen Entscheidungen standhalten?
Die Politik bleibe der wichtigste Antreiber beim Klimaschutz, sagt Stadelmann. Nicht selten sind es politische Entscheidungen, die Trends in der Privatwirtschaft auslösen oder begünstigen: "Im privaten wie öffentlichen Bereich, in der Forschung sowie in der Zivilgesellschaft, hat die Transformation längst eingesetzt. Aber: es braucht einen politischen Rahmen, der Investitionen ermöglicht." Ein Beispiel: Im Jahre 1991 wurde das Stromeinspeisungsgesetz in Deutschland verabschiedet. Eine Maßnahme mit starken Auswirkungen auf Investitionen im privaten Sektor. Das Problem: Investitionen in erneuerbare Energien sind heute noch nicht rentabel.
Wie wertvoll ist das Pariser Klimaabkommen inhaltlich überhaupt?
"Seine einzige Legitimation besteht darin, dass alle Länder Zusagen gemacht haben – doch diese Versprechen müssen nicht eingehalten werden." So beurteilte der vielzitierte dänische Politikwissenschaftler Björn Lomborg das Pariser Klimabkommen in einem Gastkommentar in der Welt vor einem Jahr. Er bewertete das multilaterale Abkommen als ungeeignet, um das Problem der globalen Erwärmung zu lösen.
"Das Pariser Abkommen hat primär einen symbolischen Wert," analysiert auch Martin Stadelmann. Mit der Zusage aller Länder sei ein Geist der Gemeinsamkeit erzeugt worden. "Doch inhaltlich ist das Abkommen relativ zahnlos." Die Ankündigungen der einzelnen Länder seien an keine Verpflichtungen gebunden, vielmehr seien nationale Interessen ausschlaggebend: "Der nationale Prozess ist darum in allen Ländern entscheidend. Dass Ankündigungen nicht als bare Münze genommen werden dürfen, wissen wir außerdem seit Kyoto und Kopenhagen", erklärt Stadelmann.
Wer sind die Hoffnungsträger des Klimaschutzes?
Nach Trumps Ankündigung haben sich China und Frankreich als ultimative Retter der Klimapolitik positioniert. Auch dies sind Ankündigungen, die aber nicht zwingend an Taten geknüpft sind. Fakt ist allerdings, dass China und auch Indien aktiv und intensiv kostengünstige, umweltfreundliche Alternativen unterstützen. China gewährt Zuschüsse bei der Energieeffizienz und möchte 2019 eine Quote für Elektroautos einführen. Indien will bis 2022 175 Gigawatt an erneuerbaren Energien installieren, die Hälfte davon Fotovoltaik.
In Frankreich hat Staatspräsident Macron den internationalen Klimaschutz als prioritäre Aufgabe erklärt. Das ist eine verbale Ankündigung, mehr nicht. Deutschland zeigt sich beim Abschied von Kohlekraft wenig konsequent. Noch immer stammen 40 Prozent des Stroms aus Braun- und Steinkohle. Großbritannien hat trotz Brexit einen Steuer auf klimaschädliches Kohlendioxid verfügt und nationale Kohlenstoffbudgets eingeführt.
Klimagipfel 2018: Wer übernimmt den Lead?
Mit Blick auf die anstehende UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 beurteilt David Levaï von Iddri die aktuellen Diskussionen in der internationalen Klimapolitik als "langsam und behäbig". Man bringe eine Resolution zur Einhaltung der Transparenz auf den Weg, Regeln zur Buchhaltung und zur Finanzierung von Förderbeiträgen. Das sind womöglich nicht die dringlichsten Anliegen.
Lucile Dufour erklärt, warum es höchste Zeit sei, dass die Länder ihr Engagement für den Klimawandel massiv ausbauen: "Die aktuellen Bemühungen der Staaten führen zu einem Anstieg von 3°C bis zum Ende des Jahrhunderts. Das bedeutet, dass die Länder ihre Versprechen vom Pariser Klimaabkommen 2015 überdenken und ihre Ausgaben für die Förderung erneuerbar Energien massiv erhöhen müssen."
David Levaï merkt außerdem an, dass es für den anstehenden UN-Klimagipfel 2018 in Katowice einen neuen Leader brauche. "Die USA hatten die Qualität, verschiedene Staaten zu vernetzen und auch mit schwierigen Partnern zu verhandeln. Die USA hatten ein diplomatisches Gewicht. Heute müssen wir ein Gleichgewicht finden. Wenn sie den Lead nicht mehr übernehmen, müssen es andere Länder tun."